Bericht von der Nantesbucher Tischgesellschaft.
Am 15. Juni 2024 hatte ich die Chance meine Herzblut-Themen von Ernährung und Ökologie im grandiosen, inspirierenden Setting der Stiftung Kunst und Natur zu vertreten. Auf der „Nantesbucher Tischgesellschaft“ war ich eingeladen, die SOLAWI Isartal zu repräsentieren, um das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft und den regenerativen Anbau vorzustellen.
Vom großen Festmahl zum kleinsten Mitesser
Im Fokus stand die Welt des Essens und ihre Verbindung zum gesunden Boden. Warum der Boden? Weil der Mikrokosmos, der sich vor uns öffnet, wenn wir nur ein paar Zentimeter unter die Oberfläche gehen, uns auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Denn ohne die kleinen Mikroben, Krabbeltiere, Pilze und Bakterien, die im Verborgenen arbeiten, geht in Wirklichkeit nichts. Sie unterstützen den Närhstoffkreislauf, sind für die Bodenstruktur und ihre Fruchtbarkeit verantwortlich, gehen Symbiosen mit Pflanzen ein, bauen Schadstoffe ab und sind für die Gesundheit für Pflanzen, Tiere und Mensch unerlässlich.
Deswegen hat habe ich auch den Unterhosen-Versuch der SOLAWI Isartal mit auf den Stand gebracht. Denn mit dem schweizer Projekt „Beweisstück Unterhose“ wurde die Aktivität des Bodenlebens anschaulich gemacht. Und wo wir schon beim Mikrobiom sind – nicht zuletzt die Darmbakterien sind unerlässlich dafür, dass wir überhaupt Nahrung aufnehmen können. Dabei findet das große Massensterben tatsächlich genau dort statt. Katharina Weiss-Tuider von der Stiftung Gesunde Erde – gesunde Menschen (Eckart von Hirschhausen) machte darauf aufmerksam, dass die Artenvielfalt auch in unserem Darm drastisch abnimmt. Die Gründe, über die spekuliert werden, liegen in zu einseitiger Ernährung und dem Artenrückgang auf den Feldern. Die Darmflora spielt eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit, auch wenn die Zusammenhänge so komplex sind, dass wir sie noch nicht voll verstehen. Und so hängt das große Ganze wieder mit dem Kleinsten zusammen.
Katharina Weiss-Tuiders fesselnder Beitrag beginnt im Weltall, führt uns über das Polarmeer, bis hinein in unseren bereits angesprochenen Verdauungsapparat. Sie macht deutlich, wie die Art wie wir uns ernähren, und wo unser Essen herkommt, mit dem Zustand unseres Planeten verknüpft ist. „90 Prozent aller Arten sind durch unsere Nahrungsmittelproduktion in Gefahr“ und ein Drittel der Menschen gemachten Emissionen stammen aus der Landwirtschaft. Sie stellt die „Planetary Health Diet“ vor, die eine gesunde Ernährung nahelegt – gesund für Mensch und unseren Planeten.
Gesellschaft kommt von Geselligkeit
Im Vortrag von Gerhard Ammerer ging es um die Landwirtschaft als Landschaftsgestalterin am Beispiel der Lungauer Almen. Das verklärte Almenbild wurde der harten Lebenswirklichkeit des kargen Hochtals gegenübergestellt. Schon damals, so fällt auf, wird die harte Arbeit der Produzenten zu wenig honoriert. Oft ernährt sich der Hof selbst, vom Verkauf der Ware ist nicht zu leben. Allein wenn das Vieh verkauft wird, reicht es, um Geld zur Seite zu legen. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wird die Anbindung und Logistik besser und der Tourismus wird weitere Lebensgrundlage. Essen heißt seither immer öfter Erleben statt Überleben. Allerdings geht auch der Almauftrieb deutlich zurück. Immer weniger Almen werden bewirtschaftet. Das führt unweigerlich zur Verbuschung der Almen. Auf den ersten Blick sieht man hier kein Problem, denn diese wurden ursprünglich für den Almbetrieb abgeholzt. Überraschender Weise führt die Auflockerung des Bodens durch das Wurzelwerk und das fehlende Almvieh eher zu Murenabgängen. Dies wird aus dem Publikum mehrfach hinterfragt.
Auch bei Harald Lemke, dem bekannten Gastrosophen, geht es nicht um weniger als um unseren Planeten. Mit der Utopie der Tischgesellschaft, an der wir alle teilnehmen, sucht er ein neues Narrativ. Es soll sich wie David dem Goliath entgegenstemmen. Goliath, das ist die Erzählung der Superreichen, dass die Menschheit mit Technik und Raketen den nächsten Planeten besiedeln, wenn wir den unseren endgültig ausgebeutet und zu Grunde gerichtet haben. Es geht ihm um eine Vernetzung und Stärkung der „Food-Kräfte“ der Bottom-up-Bewegungen, die sich das gute, das leckere, das ethische Essen auf die Fahnen geschrieben haben.
Weil das Essen ein Ritual ist, das mehrmals täglich abläuft, kommt es uns banal und unbedeutend vor. Doch Gesellschaft, so sagt Lemke, komme von Geselligkeit. Und so, wie das gute Essen zur Geselligkeit gehört, so kann das Essen auch unsere Gesellschaft formen. So wie wir an diesem Tag schon mehrfach vom Universum bis hinein in den Kosmos der Mikroorganismen gereist sind, so erstrecken sich nun die Zusammenhänge unserer Gesellschaft, in dessen Mitte unser Essen, unsere Tischgesellschaft liegt: Jeder Einzelne von uns hat es mit den vielen kleinen Entscheidungen, die unser Essen angehen, in der Hand, wie es mit unserer Gesundheit, unserer Gesellschaft unserem Planeten weitergeht: Woher kommt unser Essen? Wie wird es angebaut? Wie kaufe ich ein? Wie koche ich? Was koche ich? Was esse ich? Warum esse ich? Mit den Worten von Harald Lemke: „Beim Essen haben wir ein Problem. Aber wir haben da auch die Lösung.„
Schreibe einen Kommentar